Walter Haymanns Gemälde
Holzschnitt einer Hochzeitsgesellschaft
Gemälde betender Männer
Gemälde mit Menschen
Druck von Walter Haymann

Walter Haymann, Ohne Titel (Synagoge Löwenstrasse Zürich), um 1980, JMS 1856.1.

Walter Haymann, Ohne Titel (Hochzeitsgesellschaft), 1972, JMS 1776.4.

Walter Haymann, Ohne Titel (Betende Männer), ca. 1980, JMS 1781.7.

Walter Haymann, Ohne Titel (Betende Juden in der ICZ), ca. 1980, JMS 1781.13.

Walter Haymann, Ohne Titel (Hochzeit), 1972, JMS 1776.1.

«Ein zurückhaltender Mensch, ein unbeirrter Künstler.»

Gisela Zürrer über Walter Haymann

Der Zür­cher Künst­ler Wal­ter Hay­mann schuf ein umfang­rei­ches Werk, dar­un­ter Land­schaf­ten, Still­le­ben und einen Zyklus mit Impres­sio­nen aus der Syn­ago­ge in der Löwen­stras­se. Die Syn­ago­gen­bil­der stel­len das Juden­tum im Leben eines Man­nes vor, des­sen Fami­lie ein­schnei­den­de Ereig­nis­se erleb­te: die Gleich­be­rech­ti­gung der Juden in der Schweiz und die Schoa, die Grün­dung des Staa­tes Isra­el und die Auf­ar­bei­tung der NS-Zeit. Muse­ums­di­rek­to­rin Nao­mi Lubrich sprach mit Gise­la Zür­rer, Prä­si­den­tin der Wal­ter Hay­mann-Stif­tung, über einen Künst­ler, der post­hum wie­der­ent­deckt wird.

Nao­mi Lubrich: Lie­be Frau Zür­rer, wie erklä­ren Sie, dass Wal­ter Hay­mann, zu Leb­zei­ten wenig bekannt, auf neu­es Inter­es­se stösst? 

Gise­la Zür­rer: Wal­ter Hay­mann (1926–2011) war ein zurück­hal­ten­der Mann. In sei­nen jun­gen Jah­ren such­te er noch die Nähe zu Künst­ler­krei­sen, spä­ter leb­te er zurück­ge­zo­gen. Sei­ne Bil­der sind farb­in­ten­siv, viel­leicht zu gefäl­lig für sei­ne Zeit, die von der Avant­gar­de geprägt war. Aber Hay­mann war in sei­nem Schaf­fen unbe­irrt. Mit 83 Jah­ren ent­schied er, dass für sei­ne über 3000 Wer­ke ein Ver­bleib gefun­den wer­den soll­te. Er such­te Bera­tung bei Freun­den und Fach­per­so­nen, unter ande­rem auch bei Johan­nes Zür­rer, sei­nem Schü­ler und Freund. 2010 grün­de­te er eine Stif­tung zur Sicht­bar­ma­chung sei­nes Werks. Das brach­te vie­les in Fahrt.

NL: Wel­chen Anteil hat das Juden­tum an sei­ner Kunst? 

GZ: Wir besit­zen etwa ein­hun­dert Ansich­ten aus der Syn­ago­ge in der Löwen­stras­se, Zürich. Das ist nur eine klei­ne Grup­pe sei­nes Werks, das ansons­ten aus Land­schaf­ten und Still­le­ben besteht. Aber die Syn­ago­gen-Rei­he ist aus künst­le­ri­scher Sicht inter­es­sant: Der Stil vari­iert, wäh­rend die Per­spek­ti­ve immer die­sel­be ist. Wir bli­cken auf das Gesche­hen aus dem «Off», aus den hin­te­ren oder seit­li­chen Bän­ken. Ein Zyklus ent­stand bei der Hoch­zeit sei­nes Cou­sins, Jac­ques Bol­lag, 1972.

NL: Wel­che Rol­le spiel­te das Juden­tum in Hay­manns Leben?

GZ: Wal­ter Hay­mann war nicht prak­ti­zie­rend, er inter­es­sier­te sich aber für Reli­gi­on als Phi­lo­so­phie. Das Juden­tum präg­te auch die Fami­li­en­ge­schich­te: Hay­manns müt­ter­li­che Linie führt bis ins 18. Jahr­hun­dert zurück. Ihr Gross­va­ter, Simon Weil, erhielt im Vor­feld der jüdi­schen Eman­zi­pa­ti­on das Kan­tons­bür­ger­recht; ihr Vater Jakob Weil wur­de ers­ter jüdi­scher Ober­leut­nant. Zwei Gene­ra­tio­nen spä­ter wur­de Wal­ter Hay­mann Zeu­ge des Auf­stiegs der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Sei­ne Fami­lie, der ein gros­ses Haus gehör­te, nahm Flücht­lin­ge auf, dar­un­ter Hay­manns Cou­sin Heinz Lau­fer aus Mün­chen. Heinz ver­brach­te zwei Jah­re mit den Hay­manns, bevor er von der Zür­cher Poli­zei aus­ge­wie­sen wur­de. Direkt an der Gren­ze wur­de er ver­haf­tet, depor­tiert und spä­ter im KZ Ausch­witz ermor­det. Eine ande­re Ver­lust­er­fah­rung hat­te Hay­manns Leben bereits vor­her geprägt, denn im Kin­des­al­ter war sei­ne Schwes­ter Tru­di 14-jäh­rig an der Grip­pe gestor­ben, wäh­rend Hay­mann, der auch an der Grip­pe erkrankt war, über­lebt hat­te. Wal­ters Ehe­frau, Ire­ne, war eine Holo­caust-Über­le­ben­de aus Polen. Das Über­le­ben war zwei­fel­los für bei­de ein gros­ses Thema.

NL: Wel­che wei­te­ren jüdi­schen Sujets inter­es­sier­ten Wal­ter Haymann?

GZ: Hay­mann reis­te ger­ne, unter ande­rem nach Isra­el. Er mal­te die Alt­stadt Jeru­sa­lems sowie eine Kib­butz-Land­schaft. Hay­mann mal­te auch die jüdi­sche Schweiz, etwa den Fried­hof zwi­schen Endin­gen und Len­gnau Und er zeich­ne­te Illus­tra­tio­nen und Bil­der zu jüdi­schen Schriften.

NL: Wie geht es wei­ter mit der Auf­ar­bei­tung von Hay­manns Erbe?

GZ: Zusam­men mit ande­ren im Kreis der Wal­ter Hay­mann-Stif­tung arbei­te ich seit 2021 an einem online-Werk­ver­zeich­nis. Wir erschlies­sen sei­ne Fami­li­en­ge­schich­te, zei­gen Aus­stel­lun­gen mit sei­nen Wer­ken und arbei­ten an der Umset­zung von wei­te­ren Stif­tungs­zie­len. Es gibt viel zu tun!

NL: Vie­len Dank, lie­be Frau Zür­rer, für die gros­se Arbeit, die Sie leisten. 

verfasst am 03.01.2024