Dinah Ehrenfreund im Jüdischen Museum der Schweiz,

Bernhard Friedländer, Krug für Kiddusch-Wein, Düsseldorf 1913-1926, JMS 1550.

Bernhard Friedländer, Lulav- and Etrog Holder, Düsseldorf oder Tel Aviv 1925-1940, JMS 764.

Bernhard Friedländer, Seder-Tafelaufsatz, Düsseldorf, 1913-1926, JMS 529.

«Mir geht es um die Neugierde für aussergewöhnliche Gestaltung»

Dinah Ehrenfreund über
den Silberschmied
Bernhard Friedländer

In der Samm­lung des Jüdi­schen Muse­ums der Schweiz ent­deck­te Kura­to­rin Dinah Ehren­freund drei Wer­ke Bern­hard Fried­län­ders, eines heu­te nahe­zu ver­ges­se­nen Sil­ber­schmieds. Muse­ums­lei­te­rin Nao­mi Lubrich frag­te sie zu Fried­län­ders Bedeu­tung für die Judai­ca-Design­ge­schich­te und zur Erschlies­sung von Kunst­schaf­fen­den, die heu­te zu Unrecht ver­ges­sen sind.

Nao­mi Lubrich: Lie­be Dinah, Du hast in unse­rem Depot Judai­ca des Sil­ber­schmieds Bern­hard Fried­län­der iden­ti­fi­ziert. Wer war er? 

Dinah Ehren­freund: Bern­hard Fried­län­der wur­de um 1880 in Czen­sto­ch­au, im heu­ti­gen Polen, gebo­ren. Er mach­te sei­ne Aus­bil­dung als Gold- und Sil­ber­schmied sowie als Stein­fas­ser in Lodz, Odes­sa, Tif­lis und Ber­lin. Ab 1904 arbei­te­te er in Deutsch­land, mit Sta­tio­nen in Ber­lin, Mün­chen, Essen und Bonn. 1913 mach­te er sich in Düs­sel­dorf selb­stän­dig und fer­tig­te ein­zig­ar­ti­ge Judai­ca für Syn­ago­gen sowie für den Haus­halt. Sei­ne Wer­ke fan­den Erfolg: Er stell­te in Aus­stel­lun­gen wie die GeSoL­ei in Düs­sel­dorf 1926 aus, in den USA 1927 sowie bei der Kult- und Form-Aus­stel­lung in ver­schie­de­nen Städ­ten ab 1930. Sein Hand­werk wur­de in Zei­tun­gen und Lexi­ka gewür­digt. Die Zeit in Düs­sel­dorf, wo er bis 1928 blieb, war sei­ne künst­le­risch krea­tivs­te. 1928 zog er nach Ant­wer­pen, und 1932 wan­der­te er nach Tel Aviv ins dama­li­ge Man­dats­ge­biet Paläs­ti­na aus. Dort schuf er neben ein­zig­ar­ti­gen Cha­nuk­ka-Leuch­tern vor allem Judai­ca und Sil­ber­wa­ren in viel­fa­cher Aus­füh­rung – Mas­sen­wa­re, wenn man so will. Fried­län­der starb 1941.

NL: Bern­hard Fried­län­der ist heu­te nahe­zu unbe­kannt. Warum?

DE: Die meis­ten Wer­ke, die er in sei­ner Zeit in Deutsch­land schuf, wur­den in der NS-Zeit zer­stört. In Tel Aviv stell­te er Ker­zen­stän­der, Cha­nuk­ka-Leuch­ter, Kid­dusch-Becher und Tafel­sil­ber her, die künst­le­risch weni­ger anspruchs­voll, weni­ger aus­ser­ge­wöhn­lich sind. Wer in Isra­el sei­nen Namen nicht kennt, kennt viel­leicht sei­ne Fir­ma Mich­saf. Sie besteht noch heu­te, aller­dings ist sie nur noch sym­bo­lisch mit Fried­län­der ver­bun­den, er hat­te sie zu Leb­zei­ten ver­kau­fen müs­sen. Ein ande­rer Grund, wes­halb Fried­län­der heu­te wenig bekannt ist, ist, dass er 1941 mit sech­zig Jah­ren ver­gleichs­wei­se früh starb. Zum Ver­gleich: der heu­te sehr ange­se­he­ne Kunst­hand­wer­ker Jehu­da Wol­pert leb­te bis 1981. Er arbei­te­te übri­gens zwei Jah­re in Fried­län­ders Tel Avi­ver Werk­stät­te und danach als Leh­rer in der Beza­lel-Kunst­schu­le. Wol­pert schuf moder­ne Kult­ge­gen­stän­de und erreich­te damit ein gros­ses Publi­kum. Heu­te gilt er als Erfin­der der moder­nen Judai­ca, was aller­dings die inno­va­ti­ve Arbeit vie­ler ande­rer Künst­ler und Künst­le­rin­nen in Deutsch­land vor 1938, wie Bern­hard Fried­län­der, nicht gebüh­rend Rech­nung trägt.

NL: Du hast eine Seder-Plat­te in der JMS-Samm­lung näher stu­diert. Was ist dar­an besonders?

DE: Die Seder-Plat­te stammt aus dem Jahr 1925/26. Sie hat eine unge­wöhn­li­che, deca­go­na­le, d.h. zehn­ecki­ge, Form. Ent­lang des Ran­des sind Abbil­dun­gen bibli­scher und his­to­ri­scher Sze­nen von den Urvä­tern bis in die Gegen­wart dar­ge­stellt. Die hebräi­schen Inschrif­ten ent­hal­ten lite­ra­ri­sche Ver­wei­se. Über die­ses Stück im Zen­trum der Seder-Tafel könn­te man den gan­zen Abend lang sprechen!

NL: Es war also nicht Dei­ne ästhe­ti­sche Vor­lie­be, die Dich an Bern­hard Fried­län­der her­an­ge­führt hat.

DE: Nein, denn ich inter­es­sie­re mich für die Geschich­ten der Objek­te, wie sie ins Muse­um gelangt sind und als was sie zuvor ver­wen­det wur­den. Mir geht es weni­ger um einen ästhe­ti­schen Geschmack als um die Neu­gier­de für aus­ser­ge­wöhn­li­che Gestal­tung. Die haben Bern­hard Fried­län­ders Objek­te zweifelsfrei!

NL: Lie­be Dinah, vie­len Dank für die­sen Ein­blick in Judai­ca Design.

verfasst am 05.02.2024