«Er fühlte sich zur jüdischen Volkskunde hingezogen.»

Tabea Buri über den Sammler Eduard Hoffmann-Krayer

Edu­ard Hoff­mann-Kray­er, der soge­nann­te «Vater der schwei­ze­ri­schen Volks­kun­de», begann 1909 in Basel Judai­ca zu sam­meln. Sei­ne Samm­lung wur­de in der Aus­stel­lung Monu­men­ta Judai­ca in Köln 1963/4 bewun­dert. 1966 waren die Gegen­stän­de Kern­be­stand der Aus­stel­lung des neu­eröff­ne­ten Jüdi­schen Muse­ums der Schweiz. Nao­mi Lubrich frag­te Tabea Buri, die die Abtei­lung Euro­pa im Muse­um der Kul­tu­ren Basel lei­tet und über deren Samm­lungs­ent­ste­hung forscht, wie der Volks­kund­ler vorging.

Nao­mi Lubrich: Lie­be Tabea, war­um inter­es­sier­te sich Edu­ard Hoff­mann-Kray­er, ein Nicht­ju­de, für jüdi­sche Gegenstände?

Tabea Buri: Edu­ard Hoff­mann-Kray­er inter­es­sier­te sich für kul­tu­rel­le Erzeug­nis­se ver­schie­dens­ter Bevöl­ke­rungs­grup­pen Euro­pas – ins­be­son­de­re der­je­ni­gen, denen er selbst nicht ange­hör­te. Er schrieb, er hät­te sich schon früh zur jüdi­schen Volks­kun­de hin­ge­zo­gen gefühlt. Aus­ser­dem hoff­te er, mit ver­mehr­tem Wis­sen um das Juden­tum dem Anti­se­mi­tis­mus entgegenzuwirken.

NL: Wie sam­mel­te er? Und wel­che Objek­te fand er beson­ders interessant?

TB: Hoff­mann-Kray­er grün­de­te die «Kom­mis­si­on für jüdi­sche Volks­kun­de» mit und war deren Vor­sit­zen­der. Zunächst sam­mel­te die Kom­mis­si­on Geschich­ten, Sprich­wör­ter, Lie­der und ähn­li­ches. Dazu kamen auch mate­ri­el­le Din­ge. Hoff­mann-Kray­er inter­es­sier­te sich beson­ders für die Din­ge des All­tags, des Familienlebens.

NL: Wie ging er bei der Objekt­su­che vor?

TB: Einer­seits ver­öf­fent­lich­te die Kom­mis­si­on einen «Fra­ge­bo­gen zur Samm­lung jüdi­scher Volks­kun­de», womit sie die Bevöl­ke­rung zur Ein­sen­dung von Noti­zen und Din­gen auf­rief. Ande­rer­seits kauf­te sie kost­ba­re Gegen­stän­de bei Anti­qui­tä­ten­händ­lern ein. Und dann hat­te Hoff­mann-Kray­er noch eini­ge Kon­tak­te zu Samm­lern, die in sei­nem Auf­trag All­tags­ge­gen­stän­de für die Samm­lung suchten.

NL: Wie haben Hoff­mann-Kray­ers jüdi­sche Zeit­ge­nos­sen auf sei­ne Arbeit reagiert?

TB: Da waren einer­seits ein­zel­ne jüdi­sche Pri­vat­leu­te, die den Ankauf teu­rer Judai­ca finan­zier­ten. Sie gou­tier­ten es, dass Hoff­mann-Kray­er den Vor­sitz der Kom­mis­si­on inne­hat­te, denn sie waren der Mei­nung, dass die Initia­ti­ve eines Nicht­ju­den in einer sol­chen Sache wir­kungs­vol­ler sei, als wenn sie von jüdi­schen Krei­sen aus­gin­ge. Die brei­te Unter­stüt­zung blieb aber aus: Hoff­mann-Kray­er klag­te über feh­len­des Inter­es­se und Enga­ge­ment der jüdi­schen Bevöl­ke­rung, so dass die Arbeit der Kom­mis­si­on nach rund zehn Jah­ren mehr­heit­lich ein­ge­stellt wur­de. Hoff­mann-Kray­er sam­mel­te den­noch für das Muse­um weiter.

NL: Lie­be Tabea, vie­len Dank für Dei­nen Ein­blick in die frü­he Volks­kun­de in Basel.

verfasst am 26.01.2023