Jacques Picard, Illustration: Emma Schweizer

«Das Requiem eines jüdischen Bilderverbotes geistert immer noch in vielen Köpfen von uns Modernen.»

Jacques Picard über das Judentum und die bildende Kunst

Jac­ques Picard, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor der Uni­ver­si­tät Basel, beschäf­tigt sich in sei­nem neu­en Buch mit dem zwei­ten Gebot, dem soge­nann­ten Bil­der­ver­bot. Macht und Makel der Bil­der. Bil­der­streit, Bil­der­ver­bot und Erin­ne­rungs­kul­tur beleuch­tet das jüdi­sche Ver­hält­nis zur bil­den­den Kunst von der Anti­ke bis in die Gegen­wart. Muse­ums­di­rek­to­rin Nao­mi Lubrich sprach mit Jac­ques Picard über Über­set­zungs­feh­ler, Miss­ver­ständ­nis­se, Wider­sprü­che und loka­le Bräu­che, die die jüdi­sche Kunst und das jüdi­sche Kunst­hand­werk über die Jahr­hun­der­te geprägt haben.

Nao­mi Lubrich: Lie­ber Jac­ques, das zwei­te der zehn Gebo­te for­dert «Du sollst Dir kein Bild machen». Was genau heisst hier «Bild»?

Jac­ques Picard: Der Gegen­stand des Ver­bo­tes im hebräi­schen Text wird mit dem Wort pesel bezeich­net. Das bedeu­tet jedoch nicht das dar­stel­len­de Bild, son­dern das kul­ti­sche figür­li­che Objekt. Hin­zu kom­men auch die Gestalt (tem­u­nah) und das Gesicht (pnei) als Ergän­zun­gen der bibli­schen Text­deu­tung. Am tref­fends­ten wird der Gegen­stand des Ver­bo­tes also mit «Kult­bild» im Sin­ne einer Skulp­tur zur Anbe­tung wie­der­ge­ben. Das Kult­bild im Alter­tum ist immer ein drei­di­men­sio­na­ler Kör­per, nicht ein «Abbild» im land­läu­fi­gen Sin­ne der gemal­ten Darstellung.

NL: Ein­deu­tig ist das jedoch nicht, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf ande­re Textstellen.

JP: Die Hebräi­sche Bibel wider­spricht sich gele­gent­lich. Das zwei­te bibli­sche Gebot (2 Moses 20,4 sowie im Deu­te­ro­no­mi­um und noch­mals 5 Moses 5,8 und 4,1618) ver­bie­tet geschnitz­te oder gemeis­sel­te Got­tes­dar­stel­lun­gen sowie Bil­der des Leben­di­gen, wenn sie den Schöp­fungs­akt Got­tes durch den Men­schen nach­ah­men sol­len. Dem­ge­gen­über steht jedoch der Auf­trag zur kunst­vol­len Gestal­tung des Stifts­zel­tes, des Hei­lig­tums, das durch Kunst­wer­ke figür­li­cher und sym­bo­li­scher Art aus­ge­stal­tet wer­den soll, sogar mit geflü­gel­ten Che­ru­bim auf der Bun­des­la­de (2 Moses 25,128 und 31,1). Für die spä­te­re Deu­tung die­ser Figu­ren aber ist bezeich­nend, dass die Prä­senz Got­tes ein­zig im Leer­raum zwi­schen den Flü­geln ange­nom­men wird. Der Kunst kommt die Auf­ga­be zu, die nicht antast­ba­re und nicht anschau­ba­re Lee­re als wirk­mäch­ti­ge Anwe­sen­heit Got­tes zu markieren.

NL: Wie erklärst Du die­se Widersprüche?

JP: His­to­risch dürf­te das Bil­der­ver­bot in einer spä­ten Pha­se in den Bibel­text auf­ge­nom­men wor­den sein, um sich von den baby­lo­ni­schen oder hel­le­ni­schen Riten abzu­gren­zen. Schon in der Sze­ne mit Abra­ham, der die Göt­zen­fi­gu­ren im Geschäft sei­nes Vaters zer­trüm­mert, gilt der Spott der Fik­ti­on, die geschnitz­ten Kör­per sei­en wahr­haft leben­dig. Die­sen Spott haben auch grie­chi­sche Phi­lo­so­phen vor­ge­tra­gen. Die bibli­sche und rab­bi­ni­sche Kri­tik an den fal­schen Kult­ob­jek­ten ist also Teil der Kulturgeschichte.

NL: Was bedeu­tet das Bil­der­ver­bot, wie dem auch sei, für das Kunst­schaf­fen von Juden? 

JP: Es ist in der Tat erstaun­lich, wie hart­nä­ckig seit dem 19. Jahr­hun­dert bis heu­te das bibli­sche Ver­bot, Kult­ob­jek­te zur Anbe­tung zu fer­ti­gen, auf das Kunst­schaf­fen von Juden bezo­gen wird. Dabei wird das Kult­bild­ver­bot zu einem gene­rel­len «jüdi­schen» Kunst- und Bil­der­ver­bot aus­ge­wei­tet. Ein gutes Bei­spiel bie­tet die kos­mo­po­li­ti­sche Pari­ser Künst­ler­ge­mein­schaft zwi­schen 1905 und 1940, zu denen Cha­im Sou­ti­ne, Marc Chagall, Jac­ques Lip­chitz, Emma­nu­el Mané-Katz, Michel Kikoï­ne und vie­le wei­te­re gehör­ten. Sie wer­den als spe­zi­fisch jüdisch, als «jüdi­sche Enkla­ve» cha­rak­te­ri­siert, und dazu wird ange­führt, dass die neu erober­ten for­ma­len und tech­ni­schen Mit­tel die­sen Malern und Plas­ti­kern die Mög­lich­keit gege­ben hät­ten, die Bild­lo­sig­keit und Bil­der­feind­schaft des Juden­tums zu über­win­den, Auch bei der schwei­ze­risch-jüdi­schen Künst­le­rin Alis Gug­gen­heim wird betont, die Bild­vor­stel­lun­gen der Künst­le­rin wür­den in dia­lek­ti­scher Ent­ge­gen­set­zung einer Tra­di­ti­on ent­sprin­gen, die von Bild­abs­ti­nenz und Bil­der­ver­bot bestimmt gewe­sen sei. Ich habe mich gefragt, woher die­ses Insis­tie­ren her­rührt, das den Fund­stel­len in tra­di­tio­nel­len jüdi­schen Bild- und Text­quel­len nicht entspricht.

NL: Woher rührt es also?

JP: Eine Erklä­rung dafür lässt sich im phi­lo­so­phi­schen Idea­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts fest­ma­chen, also bei Imma­nu­el Kant und G.W.F. Hegel. Letz­te­rer kon­stru­iert sein geschichts­phi­lo­so­phi­sches Fort­schritts­mo­dell mit einer Ent­ge­gen­set­zung von Juden­tum und Chris­ten­tum. Die Hebrä­er ver­kör­pern die Poe­sie, die Chris­ten brin­gen die Bild­kunst zur Meis­ter­schaft. Bei­de heben sich dann im zukunfts­fro­hen deut­schen Idea­lis­mus auf. Eine sol­che Geschichts­kon­struk­ti­on geht an jüdi­schem Kunst­schaf­fen, ob reli­gi­ös oder pro­fan, in allen Jahr­hun­der­ten vor­bei. Und sie ver­gisst die mas­si­ve Bil­der­ab­leh­nung durch die anti­ken Kir­chen­vä­ter, dem byzan­ti­ni­schen Bil­der­streit in den Ost­kir­chen und die Ent­fer­nung des kul­ti­schen Deko­rums aus Kir­chen­räu­men durch die Refor­mier­ten im Westen.

NL: Und heute?

JP: Das Requi­em eines jüdi­schen Bil­der­ver­bo­tes geis­tert immer noch in vie­len Köp­fen von uns Moder­nen, sei­en sie jüdisch, christ­lich oder sonst sich zuge­hö­rig bezeich­nend. Zeit­ge­schicht­lich war dies für Anti­se­mi­ten wie Richard Wag­ner bis zu den Natio­nal­so­zia­lis­ten poli­tisch rele­vant, weil die angeb­li­che Bil­der- und Kunst­feind­lich­keit des Juden­tums einen zusätz­li­chen Hebel bot, die Juden als «kul­tur­un­fä­hig» aus­zu­wei­sen, sie aus der «Volks­ge­mein­schaft» aus­zu­schlies­sen und ihnen ihre Kunst­wer­ke und Kunst­samm­lun­gen zu rauben.

NL: Auch man­che Juden glaub­ten, bild­li­che Kunst sei «unjü­disch». Du schreibst, dass archäo­lo­gi­sche, alter­tums­wis­sen­schaft­li­che und kul­tur­his­to­ri­sche Ent­de­ckun­gen zum Umden­ken führten.

JP: Eine gewich­ti­ge Rol­le spiel­te die Ent­de­ckung der Fres­ken in der Syn­ago­ge von Dura Euro­pos in Damas­kus. Die­se Wand­ma­le­rei­en mit ihren biblisch-figür­li­chen Moti­ven wirk­ten in den 1920er Jah­ren schock­ar­tig. Bereits vor 1900 waren auf Aus­stel­lun­gen in Paris und Lon­don die Bild­ma­le­rei­en in hand­il­lus­trier­ten Ver­sio­nen der Bibel, der Hag­ga­da, des Gebet­buchs und ande­rer jüdi­scher Tex­te gezeigt wor­den. Die Lie­be zu Büchern in der jüdi­schen Tra­di­ti­on reicht vie­le Jahr­hun­der­te zurück. Sie mit Bil­dern zu schmü­cken, ist im frü­hen Mit­tel­al­ter bis in die Neu­zeit in Syn­ago­gen doku­men­tiert. Dar­über hin­aus sind Bil­der auf häus­li­chen Wand­ma­le­rei­en, Grab­stei­nen, Hei­rats­ur­kun­den oder All­tags­ge­gen­stän­den zahl­reich vor­han­den. Von Bedeu­tung war in Isra­el die Ent­de­ckung von Mosa­ik­bö­den anti­ker Syn­ago­gen, etwa mit figür­li­chen Dar­stel­lun­gen der Hand Got­tes, die in der Opfe­rungs­sze­ne mit Isaak ein­greift. Seit dem zwei­ten Jahr­hun­dert begann man die Wän­de von Syn­ago­gen zu bema­len, wozu es in der tal­mu­di­schen Über­lie­fe­rung heisst, Rab­bi Joch­anan ben Napp­acha, habe sich nicht dage­gen­ge­stellt. Mit sol­chen Fund­stel­len wur­de nun deut­lich, dass es stets Kon­junk­tu­ren von Kunst- und Bil­der­freu­de gab. Sie wech­seln sich mit Pha­sen gewitz­ter Bil­der­skep­sis und Ableh­nung ab.

NL: Wie haben Rab­bi­ner das Bil­der­ver­bot im Tal­mud und spä­te­rer Lite­ra­tur interpretiert?

JP: Die rab­bi­ni­sche Lite­ra­tur, so kon­tro­vers sie auch ist, wen­det das zwei­te Gebot nicht auf die figür­li­che Kunst an. Rab­bi Schlo­mo Ben Izchak (Raschi), die gewich­ti­ge Auto­ri­tät des 11. Jahr­hun­derts, wand­te nichts gegen die Bema­lung der Syn­ago­gen­wän­de ein, auch wenn er emp­fahl, sich beim Gebet nicht ablen­ken zu las­sen. Die tal­mu­di­schen Dis­kus­sio­nen des Kult­bild­ver­bo­tes dreh­ten sich um das sitt­li­che Ver­hal­ten, um die sozia­le Ungleich­heit, die Abhän­gig­keit von Macht und Reich­tum, die am Tat­be­stand des Göt­zen­diens­tes fest­ge­macht wer­den. Wo die Macht­ha­ber, sei­en es Kai­ser oder Pries­ter, die Göt­zen­fi­gu­ren nut­zen, um ihre Herr­schaft zu ver­grös­sern und ihren Reich­tum mit Sil­ber und Gold als ein ver­werf­li­ches Mach­werk von Men­schen­hand zu äuf­nen, wie es bei Jere­mi­as und in einem der Psal­men les­bar ist, liegt der Ver­dacht auf die Ver­füh­rung durch Göt­zen­dienst nahe. Wer ande­ren Göt­tern nach­läuft, so die Sozi­al­kri­tik (Jere­mia 7, 4–11), tut dies mora­lisch und wirt­schaft­lich eben zum «eige­nen Scha­den». Es geht also ein­zig dar­um, dass Male­rei oder Plas­tik als Abbild einer fal­schen Wahr­heit kul­tisch nicht ange­bet wer­den. Die Dif­fe­renz lag und liegt wir­kungs­ge­schicht­lich stets in der Fra­ge nach dem Ver­hält­nis von Bild und Kult, von Objek­ten und deren Anbe­tung, die den Men­schen von Bil­dern wie einem Fetisch abhän­gig machen.

NL: Es gab Zei­ten, in denen jüdi­sches künst­le­ri­sches Schaf­fen beson­ders aus­ge­prägt war. Du nennst bei­spiels­wei­se die Zeit der Staats­grün­dung Isra­els. Wes­halb war das Inter­es­se am bild­ne­ri­schen Schaf­fen so gross?

JP: Das setzt im Kon­text von Eman­zi­pa­ti­on, Akkul­tu­ra­ti­on und Zio­nis­mus bereits vor der Staats­grün­dung ein, um 1900. Wie­der­um schwingt zwar der auch von Juden geglaub­te Sub­text mit, dass für das Kunst­schaf­fen ein jüdi­sches Bil­der­ver­bot dog­ma­tisch hin­der­lich wäre, doch mit dem Zio­nis­mus kommt nun weit stär­ker die Fra­ge auf, ob es eine spe­zi­fisch «jüdi­sche Kunst» oder einen jüdi­schen «Stil» gäbe. Mit dem Staat Isra­el wird dann gleich­sam das Kunst­schaf­fen natio­na­li­siert und als­bald auch glo­ba­li­siert, um am welt­wei­ten Kunst­markt par­ti­zi­pie­ren zu kön­nen. Die Grün­dun­gen von Kunst­mu­se­um, Gale­rien und Kul­tur­stät­ten in Isra­el aber set­zen vor allem fort, wor­an nicht weni­ge Juden wäh­rend den letz­ten zwei Jahr­hun­der­ten in Euro­pa und in Nord­ame­ri­ka als Kunst­lieb­ha­ber, Händ­ler, Gale­ris­ten, Ver­le­ger, Kri­ti­ker, Kura­to­ren und Muse­ums­grün­der bis in unse­re Gegen­wart betei­ligt gewe­sen waren. Letzt­lich lässt sich dies aus der longue durée deu­ten, das heisst dem Vor­han­den­sein von jüdi­schem Kunst­schaf­fen und der Kunst­lie­be von Juden seit Anti­ke bis in die Moder­ne. In der Neu­zeit wird dies les­bar in der Grün­dung von Kunst­aka­de­mien und im höfi­schen und städ­ti­schen Mäze­na­ten­tum des 18. Jahr­hun­derts und dann dem Ent­ste­hen von Muse­en und pri­va­ten Gale­rien im 19. und 20. Jahr­hun­dert. Die Beza­lel-Aka­de­mie, die Kunst­hoch­schu­le in Jeru­sa­lem, ent­stand 1906, die Kunst­aka­de­mie Basel 1661. Über zeit­li­che Gren­zen und loka­le Räu­me hin­weg sind bei­de ver­gleich­ba­re Phä­no­me­ne, wie sich Kunst mit dem bür­ger­li­chen Anspruch auf Auto­no­mie eta­bliert und institutionalisiert.

NL: Die Samm­lung des Jüdi­schen Muse­ums ent­hält zahl­rei­che Rab­bi­ner­por­traits. Waren nicht ein­mal sie hei­kel? Wie ist deren Ver­brei­tung im 18. und 19. Jahr­hun­dert zu verstehen?

JP: Die Rab­bi­ner­por­träts sind wun­der­ba­re Bele­ge für die jüdi­sche Bild­kunst der Renais­sance und frü­hen Neu­zeit. Ölge­mäl­de, aber auch Dru­cke, die rab­bi­ni­sche Per­sön­lich­kei­ten abbil­den, erziel­ten an Kunst­auk­tio­nen in Lon­don hohe Prei­se, wie Jacob Emden in sei­ner Auto­bio­gra­fie Megil­lat Sefer berich­tet. Por­träts sind nicht auf die frü­he Neu­zeit beschränkt; von Fla­vi­us Jose­phus wis­sen wir, dass die Toch­ter des Hohe­pries­ters Hyr­kan II. um die Mit­te des ers­ten vor­christ­li­chen Jahr­hun­derts ihre Kin­der por­trä­tie­ren liess. Was nun hier aber vor­liegt, sind rab­bi­ni­sche Hagio­gra­fien. Schon die Tat­sa­che, dass sich ein Rab­bi­ner vor einen Künst­ler setz­te und sich in des­sen Ate­lier malen liess, prä­dis­po­nier­te eine ent­spre­chen­de Deu­tung des zwei­ten Gebo­tes, etwa wenn die Über­le­gung ins Spiel kam, dass ein Rab­bi­ner-Por­trät über den Tod der gemal­ten Figur hin­aus dann als grab­ähn­li­ches Bild die­nen könn­te, was das bibli­sche Ver­bot des Göt­zen- und Kult­bil­des berüh­ren muss. Oft wird der Rab­bi­ner auf eine Text­stel­le hin­deu­tend, wie das ers­te und zwei­te Gebot, dar­ge­stellt, um deut­lich zu machen, dass nur Gott ein­zig sei. Zuwei­len ist im Bild­hin­ter­grund die Dop­pel­ta­fel mit den Zehn Gebo­ten oder ein Bücher­re­gal sicht­bar, das hohe Gelehr­sam­keit ver­mit­teln soll. Das Bild sel­ber ist also dis­kur­siv, es unter­stellt sich mit dem gemal­ten Ges­tus der Prio­ri­tät des Wor­tes. Durch Kunst­dru­cke viel­fach ver­brei­tet, dien­ten die Hagio­gra­fien als per­sön­li­ches wie pro­gram­ma­ti­sches Memen­to, um die Bezie­hung des Rab­bi­ners zu sei­nen Anhän­gern, die in abge­le­ge­nen Sied­lun­gen oder durch Migra­ti­on zuse­hends ver­streut leb­ten, zu fes­ti­gen. Auch Medail­lons und Medail­len, die Rab­bi­ner abbil­den, erfüll­ten die­se Funk­ti­on, und Rab­bi­ner erschie­nen auch in Minia­tu­ren, Sil­hou­et­ten, Litho­gra­fien und selbst auf Pfei­fen­köp­fen. All dies sind deut­li­che Hin­wei­se auf die sich ver­än­dern­de Rol­le der Rab­bi­ner in den Köp­fen und Vor­stel­lun­gen ihrer Anhän­ger­schaf­ten in der frü­hen Neu­zeit, in der eine gewis­se Idea­li­sie­rung und Glo­ri­fi­zie­rung rab­bi­ni­scher Bio­gra­fien erkenn­bar wird. Das Leben vie­ler Juden und Jüdin­nen selbst war mobi­ler gewor­den, und die Lebens­wel­ten, in denen jüdi­sche Fami­li­en sich beweg­ten, erschie­nen räum­lich wei­ter und zuneh­mend hete­ro­ge­ner, was das Bedürf­nis nach Anbin­dung an rab­bi­ni­sche Auto­ri­tä­ten, ihre Ver­füg­bar­keit im Bild und eine Legen­den­bil­dung erklärt. Längst hat sich die­se funk­tio­na­le Iko­no­gra­fie heu­te im Inter­net fort­ge­schrie­ben, etwa in den visu­el­len For­ma­ten von Insta­gram und You­Tube, die homi­le­ti­sche und rat­ge­ben­de Bot­schaf­ten pro­gres­si­ver, ortho­do­xer und neo-chas­si­di­scher Rab­bi­ner und Rab­bi­ne­rin­nen verbreiten.

NL: Lie­ber Jac­ques, vie­len Dank für Dei­ne Ein­bli­cke in eine umstrit­te­ne Fra­ge, die für die jüdi­sche Museo­lo­gie eine gros­se Rol­le spielt. Ich wei­se ger­ne auf Dein Buch hin:

Jac­ques Picard, Macht und Makel der Bil­der, Gedächt­nis­ru­fe zu Kunst, Bil­der­streit, Kult­ver­bot und Erin­ne­rungs­kul­tur, Ber­lin 2024 (DKV de Gruyter);

Eng­li­sche Aus­ga­be: Tri­umph and Trau­ma of Images, A Jour­ney into Art Histo­ry, Ico­no­clasm, Cult Con­tro­ver­sy and Remem­brance Cul­tu­re, Bos­ton 2025.

verfasst am 21.01.2025