«Jüdische Siedler investierten in das Pflanzen von Bäumen»
Netta Cohen über die zionistische Haltung
zum Klima
Die Sammlung des Jüdischen Museums umfasst eine Gruppe von Holzobjekten aus dem osmanischen Palästina und dem Mandatsgebiet Palästina, darunter Gewürzdosen und Blumenalben. Diese Souvenirs zeugen vom Interesse der frühen Zionisten an Baumpflanzungen und Ökologie. Museumsdirektorin Naomi Lubrich korrespondierte mit Netta Cohen, einer Junior Research Fellow am Christ Church College der Universität Oxford, über die zionistischen Aufforstungsprojekte, die sie in ihrem jüngsten Buch New Under the Sun: Early Zionist Encounters with the Climate in Palestine beschreibt.
Naomi Lubrich: Liebe Netta, Sie untersuchen die frühe zionistische Einstellung zum Klima. Warum war das Pflanzen von Bäumen für Jüdinnen und Juden in Palästina so wichtig?
Netta Cohen: Jüdische Siedler investierten aus nationalen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Gründen in das Pflanzen von Bäumen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ihre Motivation zunächst wirtschaftlicher Natur; sie wollten Obstbäume anbauen. Ab 1912 ging der Jüdische Nationalfonds (JNF) jedoch dazu über, widerstandsfähige, nicht fruchttragende Bäume wie Pinien und Zypressen zu pflanzen, insbesondere auf felsigen, für die Landwirtschaft ungeeigneten Böden. Er reagierte damit auf die osmanische Gesetzgebung, die unkultiviertes Land zum Staatseigentum erklärte. Die Baumpflanzungen trugen somit zur Ausdehnung der ‹jüdischen Grenze› in Palästina bei.
Ein weiterer Grund waren die biblischen Beschreibungen des Landes in der jüdisch-christlichen Tradition. Viele europäische Juden und Christen in Palästina glaubten, dass die Heilige Schrift ‹ursprüngliche› Landschaften beschreibe, und wünschten sich die Wiederherstellung der üppigen Wälder, von denen sie glaubten, dass sie dort existierten.
Schliesslich wollten die Zionisten auch das lokale Klima ‹verbessern›. Im späten 19. Jahrhundert galten Wüsten und Halbtrockengebiete nicht als natürliche Ökosysteme, die durch allgemeine Vernachlässigung entstanden waren. Eine gängige Lösung bestand darin, Bäume zu pflanzen, um Schatten zu spenden, das Vordringen der Sanddünen aufzuhalten und die Bodenerosion zu verhindern.
NL: Wie entschieden Botaniker und Landwirtschaftsexperten, welche Bäume gepflanzt werden sollten?
NC: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand die Flora Palästinas hauptsächlich aus Macchia und Garrigue, Sträuchern und kleinen Eichen. Weder die Briten noch die Zionisten waren jedoch besonders an der ‹ursprünglichen› Flora des Landes interessiert oder mit ihr vertraut. Stattdessen brachten sie Bäume nach Palästina, die dort zuvor nicht gewachsen waren. Die in Europa ausgebildeten jüdischen Siedler importierten einige Pflanzen und Tiere, die sie aus westlichen Ländern kannten. Oder sie konsultierten andere europäische Siedler, die in wärmeren Regionen lebten, und brachten Pflanzen aus Tunesien, Australien, Neuseeland und Kalifornien nach Palästina.
So wurde der erste grosse Wald Palästinas zwischen 1895 und 1899 von der Rothschild Development Agency und der Palestine Jewish Colonization Association in Hadera gepflanzt. Das Projekt diente ursprünglich der Trockenlegung von Sümpfen. Die Entwickler kauften 250.000 Eukalyptussamen aus Algerien, wo französische Siedler grosse Eukalyptuswälder angelegt hatten. In den 1920er Jahren wurden die bis dahin dominierenden Eukalyptusbäume durch Kiefern ersetzt. Die Kiefern waren widerstandsfähig, wuchsen relativ schnell und schufen ein deutlich europäisches Landschaftsbild.
NL: Welche Bedeutung hatte das Olivenholz?
NC: Die Olive ist mit 66 Erwähnungen (48 in der Hebräischen Bibel, 12 in der Christlichen Bibel und 7 im Koran) eine der am häufigsten erwähnten Früchte in den heiligen Schriften der drei monotheistischen Religionen. Paläobotanische und archäologische Untersuchungen zeigen, dass Olivenöl im östlichen Mittelmeerraum seit der späten Vorgeschichte ein Grundnahrungsmittel war. In der Antike wurde Olivenöl zum Kochen, als Salbe und als Brennstoff für Lampen verwendet. Jahrhundertelang war es ein wertvolles Handelsgut in der Region. Ab dem 16. Jahrhundert zahlten die palästinensischen Dörfer ihre Steuern an die osmanischen Behörden häufig in Fässern mit Olivenöl. Ein noch heute gebräuchliches arabisches Sprichwort lautet: «Wer Öl hat, wird nie arm sein». Das arabische Wort für Öl ist ‹zayt› und Olive ‹zaytun› was zeigt, wie tief Olivenöl in der arabischen Kultur und Küche verwurzelt ist. Der Überfluss an Olivenöl in Palästina machte es ab dem späten 18. Jahrhundert zu einem der wichtigsten Exportgüter des Landes, insbesondere aus Jabal Nablus und den umliegenden Dörfern.
In der jüdischen Tradition symbolisiert das Olivenöl seit Jahrhunderten die Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und dem Land Israel. Das Chanukka-Fest, das das Licht preist und das Öl ehrt, wird im Dezember gefeiert, unmittelbar nach der Olivenernte, wenn die jährliche Ölproduktion beginnt. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die symbolische Bedeutung des Olivenöls im Judentum von der landwirtschaftlichen Realität entfernt. Obwohl das zionistische Projekt die Landwirtschaft in Palästina erneuern wollte, indem es auch die alten biblischen Feldfrüchte verherrlichte, hat es diese Realität nicht wesentlich verändert. Während des grössten Teils des 20. Jahrhunderts zeigten die jüdischen Israelis nur wenig Interesse am Anbau von Olivenbäumen und an der Produktion und dem Verbrauch von Olivenöl. Dies änderte sich erst in den späten 1990er Jahren, als neue gesundheitliche und kulinarische Trends aufkamen.
NL: Was wissen wir über den frühen Wissensaustausch mit der lokalen Bevölkerung im Bereich der Landwirtschaft?
NC: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ignorierten jüdische Landwirte und Agrarexperten häufig lokale Praktiken zugunsten dessen, was sie als fortschrittliche westliche Agrarwissenschaft und ‑technologie ansahen. Wenn sie lokale Anbaumethoden studierten, eigneten sie sich diese oft an und bezeichneten sie als alt oder biblisch. Die arabischen und beduinischen Bauern, die so genannten Fallahin, nutzten beispielsweise jahrhundertelang Tau zur Bewässerung ihrer Felder als Trockenanbautechnik. Tau war besonders effektiv beim Anbau von Wassermelonen und Sorghum, die im Sommer wachsen. Jüdische Experten stellten diese Technik jedoch als Wiederbelebung einer alten biblischen Praxis dar, die der zionistischen Ideologie entsprach. Einer der wichtigsten jüdischen Befürworter des Einsatzes von Tau in der Landwirtschaft war Shimon Duvdevani, ein jüdischer Biologe und Lehrer an der landwirtschaftlichen Schule von Pardes Hanna. Zwischen 1936 und 1943 errichtete Duvdevani nicht weniger als 80 Tau-Stationen in Palästina. Seine wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema erregten die Aufmerksamkeit britischer Experten im gesamten Empire. Ein Artikel über Duvdevanis Arbeit, der im Juli 1947 in der britischen Zeitschrift Weather erschien, sorgte für eine weite Verbreitung der Idee, dass die Verwendung von Tau in der Landwirtschaft eine alte jüdische Praxis sei.
NL: Liebe Netta, herzlichen Dank für diese Einblicke in eine längst vergangene Zeit!
verfasst am 19.08.2024
in Erinnerung an
Rosa Solomin
22. Oktober 2024
11:00 Uhr
Geschichte eines Buches in unserer Sammlung