Offenes Buch von 1933

Die Geheimnisse der Weisen von Zion, JMS 1855.

Die Geheimnisse der Weisen von Zion, München/Basel 1933, JMS 1855.

Der Basler Prozess um die «Protokolle der Weisen von Zion»

Geschichte eines Buches in unserer Sammlung

Basel, Korn­haus­gas­se 8. An die­ser Adres­se befin­det sich heu­te das Jüdi­sche Muse­um der Schweiz, des­sen Samm­lung ein 1933 beschlag­nahm­tes Exem­plar der «Geheim­nis­se der Wei­sen von Zion» bewahrt. Vom glei­chen Stand­ort aus, dem Lokal­se­kre­ta­ri­at an der Korn­haus­gas­se 8, wur­de 1933 die soge­nann­te Akti­on in Basel gelei­tet. Die «Akti­on» war eine Mass­nah­me des Schwei­ze­ri­schen Israe­li­ti­schen Gemein­de­bunds (SIG) zur Abwehr von Anti­se­mi­tis­mus. Das Lokal­se­kre­ta­ri­at Basel berich­te­te dem SIG über anti­se­mi­ti­sche Vor­komm­nis­se in Basel und ver­han­del­te dar­über, wel­che Gegen­mass­nah­men zu ergrei­fen sei­en.[1] Eine davon war der soge­nann­te Bas­ler Pro­zess um die «Pro­to­kol­le der Wei­sen von Zion».

Am 21. Juni 1933 reich­te der jüdi­sche Anwalt Oscar Mey­er beim Bas­ler Straf­ge­richt eine «Ehr­be­lei­di­gungs­kla­ge» ein, im Auf­trag Jules Drey­fus-Brod­skys, Prä­si­dent der Israe­li­ti­schen Gemein­de Basel und des SIG, Dr. Mar­cus Cohns, Prä­si­dent des Schwei­ze­ri­schen Zio­nis­ten­ver­ban­des sowie Dr. Mar­cus Ehren­preis’, Ober­rab­bi­ner von Stock­holm. Die Kla­ge rich­te­te sich gegen die Autoren und Ver­brei­ter der «Pro­to­kol­le der Wei­sen von Zion».

Bei den «Pro­to­kol­len» han­delt es sich um eine anti­se­mi­ti­sche Schrift ver­mut­lich rus­si­schen Ursprungs, die im Zuge der rus­si­schen Revo­lu­ti­on auch West­eu­ro­pa erreicht hat­te und in kom­men­tier­ten Ver­sio­nen mehr­fach neu auf­ge­legt wur­de. Die «Pro­to­kol­le» sol­len fik­ti­ve Abspra­chen zwi­schen Juden für die Über­nah­me der poli­ti­schen Welt­herr­schaft bele­gen.[2] Dass es sich bei den «Pro­to­kol­len» um ein Pla­gi­at der 1864 erschie­nen poli­ti­schen Sati­re von Mau­rice Jolys «Dia­lo­gue aux enfers ent­re Machia­vel et Mon­tes­quieu» han­del­te, galt bereits 1926 als bewie­sen, den­noch zir­ku­lier­ten sie wei­ter und fan­den durch den Natio­nal­so­zia­lis­mus neue Leser­schaft.[3]

Die Ange­klag­ten im Bas­ler Pro­zess waren die deut­schen Erzeu­ger der Schrif­ten, Gott­fried van der Beek als Autor der Schrift «Die Geheim­nis­se der Wei­sen von Zion» und Theo­dor Frit­sch, Urhe­ber der «Zio­nis­ti­schen Pro­to­kol­le» sowie die schwei­ze­ri­schen Ver­brei­ter der Bro­schü­ren, Alfred Zan­der und Edu­ard Rüeg­seg­ger.[4] Beim Namen «Gott­fried van der Beek» han­del­te es sich um das Pseud­onym von Lud­wig Mül­ler von Hau­sen, einem anti­se­mi­ti­schen deut­schen Publi­zis­ten, der 1926 ver­stor­ben war.[5] Theo­dor Frit­sch, so stell­te es sich bald her­aus, war eben­falls ver­stor­ben. Die Kla­ge rich­te­te sich in der Fol­ge gegen Alfred Zan­der, Lei­ter der faschis­ti­schen Natio­na­len Front, wobei es in ers­ter Linie um ein öffent­li­ches Urteil ging, in dem die «Pro­to­kol­le» ein für alle Mal als Fäl­schung ent­larvt wür­den.[6]

Geführt wur­de der Pro­zess in Basel vom Straf­ge­richts­prä­si­dent Dr. Eze­chi­e­le Eno­ca­ri.[7] Die­ser ver­füg­te am 22. Juni 1933 die Beschlag­nah­mung der «Pro­to­kol­le» in den Räum­lich­kei­ten der Orts­grup­pe der Natio­na­len Front in Basel, wobei zwei Kri­mi­nal­be­am­te 761 Exem­pla­re sicher­stell­ten.[8]

Fast zeit­gleich wur­de in Bern ein ähn­li­cher Pro­zess in die Wege gelei­tet. Die Ber­ner Anwäl­te ver­wei­ger­ten Oscar Mey­er eine Koope­ra­ti­on, da sie ihren eige­nen Pro­zess nicht gefähr­den woll­ten. Weil sich der Schwei­ze­ri­sche Israe­li­ti­sche Gemein­de­bund vom Aus­gang die­ses Pro­zes­ses mehr ver­sprach, ver­stärk­te er sei­ne Bemü­hun­gen zuguns­ten des Pro­zes­ses in Bern, jener in Basel wur­de hin­ge­gen ver­scho­ben. Im Juni 1936 wur­de beschlos­sen, ganz auf einen Pro­zess in Basel zu ver­zich­ten und einem Ver­gleich mit Zan­der zuzu­stim­men. Zan­der muss­te sei­ne Behaup­tung, Ehren­preis habe die Echt­heit der «Pro­to­kol­le» bezeugt, zurück­zie­hen und zuge­ben, dass die Schrift in kei­nem Zusam­men­hang mit dem Ers­ten Zio­nis­ten­kon­gress in Basel stün­de. Aus­ser­dem stimm­te Zan­der zu, die Gerichts­kos­ten zu über­neh­men [9] Bei Oscar Mey­er, der sich mit viel Herz­blut für den Bas­ler Pro­zess ein­ge­setzt hat­te, hin­ter­liess der Aus­gang einen bit­te­ren Nach­ge­schmack, obschon er selbst Jules Drey­fus-Brod­sky bereits im Juni 1934 zur Annah­me des Ver­gleichs gera­ten hat­te.[10] Obwohl er den Ber­ner Pro­zess unter­stütz­te, war er zugleich ent­täuscht über das man­geln­de Ver­trau­en, das ihm die Ber­ner Anwäl­te ent­ge­gen­ge­bracht hat­ten. So erkun­dig­te er sich bei Saly May­er 1935 über den Stand des Pro­zes­ses in Bern, schrieb aber zugleich, dass ihm «die Lust ver­gan­gen [sei], den Bas­ler Pro­zess zu Ende zu füh­ren.»[11]

Ver­fasst von: Bar­ba­ra Häne

Quel­len:
[1] Vgl. Mäch­ler, Ste­fan: Hil­fe und Ohn­macht. Der Schwei­ze­ri­sche Israe­li­ti­sche Gemein­de­bund und die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ver­fol­gung 1933–1945, Zürich 2005, S. 70.
[2] Vgl. Hage­meis­ter, Micha­el, Die «Pro­to­kol­le der Wei­sen von Zion» vor Gericht. Der Ber­ner Pro­zess 1933–1937 und die «anti­se­mi­ti­sche Inter­na­tio­na­le», Zürich 2017, S. 37.
[3] Vgl. ebd., S. 49–55.
[4] Vgl. Mey­er, Oscar: Brief an das Prä­si­di­um des 18. Zio­nis­ten-Kon­gres­ses, Basel 16.08.1933, S. 1 f., AfZ: NL Mar­cus Cohn / 88.
[5] Vgl. Hage­meis­ter, Die Pro­to­kol­le, 2017, S. 552.
[6] Vgl. o. A.: Prot. der Juris­ten­kon­fe­renz, Basel 01.06.1934, S. 4, AfZ: IB SIG-Archiv / 1215.
[7] Vgl. ebd.
[8] Vgl. Jüdi­sche Press­zen­tra­le Zürich (JPZ) 753, 07.07.1933, S. 7.
[9] Vgl. Hage­meis­ter, Die Pro­to­kol­le, 2017, S. 132 sowie JPZ 896, 12.06.1936, S. 9.
[10] Vgl. Mey­er, Oscar: Brief an Jules Drey­fus-Brod­sky, Basel 11.06.1934, S. 2. AfZ: IB SIG-Archi­v/ 1215.
[11] Mey­er, Oscar: Brief an Saly May­er, Basel 24.10.1935. AfZ: IB SIG-Archiv / 1216.

verfasst am 19.08.2024