«In der Öffentlichkeit bekannte sich Cioma zunächst zögerlich zu seiner jüdischen Herkunft»
Sascha Schönhaus
über seinen
Vater Cioma Schönhaus
Sascha Schönhaus ist Klezmermusiker und der Sohn des Basler Autors und Grafikers Cioma Schönhaus. Cioma Schönhaus schilderte in seiner Autobiographie «Der Passfälscher» im Jahr 2004 seine Flucht aus Nazi-Deutschland dank eines gefälschten Passes. Vor wenigen Wochen übergab Sascha Schönhaus dem Jüdischen Museum der Schweiz den Nachlass seines Vaters. Christina Meri und Barbara Häne sprachen mit ihm über sein Familienerbe.
Barbara Häne: Lieber Sascha, wie hat Ciomas Geschichte Dich und Euch, seine Kinder, geprägt?
Sascha Schönhaus: Ich kann nur für mich sprechen. Wir sind vier Nachkommen, und jeder hat andere Erinnerungen und Meinungen. Ich hatte zu Cioma eine sehr enge Beziehung. Wir haben viele Reisen unternommen. Cioma ist auch mit meinem Bruder David viel gereist. Seit ich zehn war, spazierten wir regelmässig abends mit unserem Hund. Cioma hat mir dabei seine Erinnerungen an die Familie, an die Zeit in Berlin und an die Flucht in die Schweiz erzählt. Er ging ins Detail, so wurde es eine Fortsetzungsgeschichte. Wir standen bis zu seinem Lebensende im regen Austausch. Aber wir waren nicht immer derselben Meinung. Mich hat es sehr geprägt, Ciomas Geschichte zu hören und Menschen zu erleben, die sein Schicksal teilten. Das Familienerbe zu erhalten und weiterzutragen ist Teil meines Lebens.
Barbara Häne: Hat Dein Vater Deine Musik, insbesondere Deine Klezmerband Bait Jaffe (deutsch: Schönes Haus) unterstützt?
Sascha Schönhaus: Die Idee kam von David. Er schlug vor, die Klezmerband Bait Jaffe zu gründen. Und er hatte die Idee, Cioma mit ins Studio zu nehmen. Auf unserer ersten CD war Cioma als Sänger und Geschichtenerzähler im Aufnahmeraum. In diesem Sinne hat er uns unterstützt. Aber mit Sicherheit hob er dabei die Augenbrauen. Er selbst hatte sich in der Basler Gesellschaft nur zögerlich zu seiner jüdischen Herkunft bekannt, in ausgesuchten Situationen. Mit der Band war sie plötzlich für die Öffentlichkeit sichtbar. Cioma kam bis ins hohe Alter zu unseren Konzerten. Und nach der Veröffentlichung seines ersten Buches «Der Passfälscher» fanden viele gemeinsame Veranstaltungen statt. Wir spielten mit Bait Jaffe, und Cioma las aus seinem Buch.
Christina Meri: Welche Objekte Deines Vaters sind erhalten geblieben, und wie kamt Ihr zur Entscheidung, sie dem Jüdischen Museum zu übergeben?
Sascha Schönhaus: Den gefälschten Pass haben wir nicht, Cioma warf ihn ja beim Grenzübertritt gleich weg. Aber der Brustbeutel ist da. Er ist ein unmittelbares Zeugnis seiner Flucht. Wenn der Brustbeutel zusammen mit den anderen Familiengegenständen im Jüdischen Museum der Öffentlichkeit zugänglich bleiben, wird die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten.
Barbara Häne und Christina Meri: Das hoffen wir sehr! Sascha: herzlichen Dank für das Interview.
verfasst am 17.11.2022
JMS 2060-1: Brustbeutel, getragen von Cioma Schönhaus auf seiner Flucht in die Schweiz, 1943, Berlin, Deutschland, Schweiz.
JMS 2060-2:Continental-Strassenkarte für Rad- und Kraftfahrer, verwendet von Cioma Schönhaus auf seiner Flucht mit dem Fahrrad in die Schweiz, 1924-1943, Schweiz.
JMS 2060-3: Dokumentenhülle zur Aufbewahrung seines gefälschten Passes, verwendet von Cioma Schönhaus auf seiner Flucht in die Schweiz, 1943, Berlin, Deutschland, Schweiz.
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