«Das Verbreiten von NS-Symbolik ist gesetzlich verboten.»
Laura Langeder über die Wiener Ausstellung «Hitler entsorgen»
Das Haus der Geschichte Österreich in Wien schliesst am 8. Januar 2023 nach einer verlängerten Laufzeit seine Sonderausstellung «Hitler entsorgen. Vom Keller ins Museum». Die Ausstellung thematisierte die Frage, wie mit den Nazi-Nachlässen aus dem privaten Familienbesitz umzugehen sei, die Museen für ihre Sammlungen angeboten werden. Die Kurator:innen boten Einblicke in die eigenen Entscheidungsprozesse, NS-Zeugnisse anzunehmen beziehungsweise abzulehnen. Naomi Lubrich korrespondierte mit Laura Langeder, Junior Kuratorin am hdgö über ihre Erkenntnisse zum Ende dieser ungewöhnlichen Ausstellung.
Naomi Lubrich: Liebe Frau Langeder, wie oft melden sich Menschen beim Haus der Geschichte Österreich, um Ihnen alte Nazi-Gegenstände zu übergeben?
Laura Langeder: Wir erhalten monatlich schätzungsweise fünf bis zehn Angebote, inklusive Konvolute, die Objekte mit NS-Bezug beinhalten. Mit unserer Ausstellung «Hitler entsorgen» hat sich die Zahl erhöht. Auch die Lockdowns der letzten Jahre haben viele Privatpersonen mit ihren Nachlässen zu uns geführt – sowohl diejenigen, die uns Objekte aus dem Nazi-Kontext übergeben möchten, als auch Besitzer:innen anderer Objekte. Wenn Menschen viel Zeit zuhause verbringen, räumen sie auf.
NL: Warum möchten manche Menschen diese Objekte loswerden?
LL: Die Beweggründe möchte ich nicht beurteilen, aber mein Eindruck ist, dass die meisten Angebote gut gemeint sind. Viele Menschen können die historische Bedeutung ihrer Objekte nicht einschätzen. Und sie wollen weder die Objekte in falsche Hände geben noch etwas entsorgen, das als historische Quelle relevant ist. Unser Ausstellungstitel «Hitler entsorgen» deutet an, dass einige Menschen sich ihrer Familiengeschichte entledigen möchten, oder anders gesagt, NS-Sympathien in der Familie nicht allein schultern wollen. Im Museum sind die Narrative ausgelagert und bleiben gleichwohl der Allgemeinheit erhalten. Verkaufsangebote erhalten wir selten. Wenn ja, lehnen wir sie grundsätzlich ab.
NL: Wie entscheiden Sie, ob Sie ein Objekt annehmen? Und wann raten Sie den Eigentümer:innen, es zu entsorgen?
LL: Wir sammeln alle Angebote und besprechen sie wöchentlich mit der Direktion und den anderen Sammlungsmitarbeiter:innen. Unsere Kriterien sind: wie gut die Objekte der Geschichtsvermittlung und Forschung dienen. Uns interessieren in erster Linie die Geschichten, die die Objekte erzählen: Wem gehörten sie? Wie wurden sie verwendet? Welches Narrativ vermitteln sie? Wenn wir sie ablehnen, so empfehlen wir andere Institutionen oder regen an, die Objekte gut kontextualisiert als Teil der eigenen Familiengeschichte aufzubewahren. Objekte, die keinen Familienbezug haben, zum Beispiel Massenware ohne individualisierenden Charakter, kann man unter Umständen entsorgen.
NL: Unter welchen Voraussetzungen darf man mit Nazi-Objekten auf dem freien Markt handeln?
LL: Ich bin keine Juristin, aber grundsätzlich ist in Österreich nach dem Verbots- und Abzeichengesetz das Verbreiten von NS-Symbolik untersagt. Das Verkaufen ist eine Form des Verbreitens und daher auch verboten. Zuhause darf man leider alles Mögliche aufbewahren, sofern man es niemandem zeigt. Die Gesetzeslage wird aber aktuell diskutiert. Mitte November 2022 wurde eine Verschärfung der Gesetze angekündigt. Nun könnte auch der Besitz bestimmter Objekte verboten werden.
NL: Ihre Ausstellung ist partizipativ. Haben sich Ihre Besucher:innen auch aktiv beteiligt?
LL: Ja! Die Besucher:innen haben offen und intensiv ihren Umgang mit NS-bezogenen Objekten in der Ausstellung erprobt. Unsere Kurator:innen und Vermittler:innen, Eva Meran, Markus Fösl und Louise Beckershaus, hatten partizipative Stationen entwickelt, die gut angenommen wurden. Momentan werten wir die Antwortkärtchen aus, die Besuchende in der Ausstellung ausgefüllt haben.
NL: Liebe Frau Langeder, da bin ich gespannt, was sie für Botschaften hinterlassen haben. Vielen Dank für diesen Einblick!
verfasst am 08.01.2023
Foto: Markus Wörgötter, mit herzlichem Dank an das Haus der Geschichte Österreich
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